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Organisationsmängel im KMU-Bereich und Risiken für Verwaltungsräte

Ein Organisationsmangel liegt vor, wenn einer Gesellschaft ein gesetzlich vorgeschriebenes Organ fehlt oder dieses nicht ordnungsgemäss zusammengesetzt ist. Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Organen einer Aktiengesellschaft – sinngemäss auch auf andere Gesellschaftsformen anwendbar – gehören die Generalversammlung, der Verwaltungsrat und die Revisionsstelle.


Organisationsmängel entstehen oft, weil entweder gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen vernachlässigt werden oder die Gesellschaft nicht mehr entscheidungs- oder handlungsfähig ist. In der Realität kommt es häufig vor, dass die Handlungsfähigkeit des Verwaltungsrats durch den Tod des einzigen Mitglieds oder durch eine versäumte rechtzeitige Wiederwahl beeinträchtigt wird. Weitere Ursachen können aber auch das Fehlen eines Domizils oder einer in der Schweiz wohnhaften zeichnungsberechtigten Person sein.

Aufgrund der gesetzlichen Regelung müssen ordentliche Generalversammlungen zwingend innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres (in der Regel bis Juni) durchgeführt werden. Hält also der Verwaltungsrat die für die Wiederwahl entscheidende Generalversammlung nicht ab oder wird sie nach Juni verschoben, verlieren die bisherigen Verwaltungsräte gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichts 4A_496/2021 vom 3. Dezember 2021) ab dem 1. Juli ihre Position, auch wenn sie weiterhin im Handelsregister als solche aufgeführt sind. Ohne Verwaltungsrat können keine Generalversammlungen einberufen werden. Auch sind Wiederwahlen auf verspäteten Generalversammlungen ungültig – dies gilt auch in den Folgejahren. Solange eine solche Situation nicht gelöst wird, sind alle Beschlüsse der Generalversammlung (ausser bei Universalversammlungen) nichtig. Es liegt folglich ein schwerwiegender Organisationsmangel vor.

Doch wie kann ein solcher Organisationsmangel behoben werden?

  1. Einberufung der Generalversammlung durch die Revisionsstelle
  2. Durchführung einer Universalversammlung
  3. Anrufung des Gerichts

Einberufung der Generalversammlung durch die Revisionsstelle
Falls die Gesellschaft über eine gültig gewählte Revisionsstelle verfügt, kann diese eine Generalversammlung einberufen, bei der dann ein neuer Verwaltungsrat gewählt werden kann. Wurde jedoch auf eine Revision verzichtet (Opting-Out) oder ist die Amtszeit der Revisionsstelle schon abgelaufen, so ist diese Option nicht mehr möglich.

Durchführung einer Universalversammlung
Eine alternative Möglichkeit besteht in der Durchführung einer Universalversammlung. Dies ist eine Zusammenkunft sämtlicher Aktionäre, die jederzeit ohne formelle Einladung abgehalten werden kann und befugt ist, rechtskräftige Entscheide zu treffen. Die Herausforderung einer Universalversammlung ist, dass sämtliche Aktionäre anwesend sein müssen und jeder einzelne Aktionär durch sein Verlassen die Beschlussfähigkeit aufheben kann. Zwar benötigt es für die meisten Wahlen (sofern nichts anderes bestimmt) nur die Mehrheit der Stimmen, doch es müssen zwingend alle Aktionäre anwesend oder vertreten sein. Folglich bedarf es der tatsächlichen Zustimmung aller Aktionäre. Wird die Universalversammlung rechtsgültig durchgeführt, so wird der Verwaltungsrat ebenfalls rechtsgültig bestellt.

Anrufung des Gerichts
Falls weder die erste noch die zweite Option möglich sind, liegt ein Organisationsmangel vor, den die Gesellschaft nicht eigenständig beheben kann. In einem solchen Fall muss das Gericht eingeschaltet werden. Jeder Aktionär oder Gläubiger der Gesellschaft kann beim Gericht beantragen, die Organisationsmängel zu beheben. Das Gericht wird dann die erforderlichen Massnahmen ergreifen, wie die gerichtliche Bestellung eines Verwaltungsrats oder die Einberufung einer Generalversammlung mit dem einzigen Traktandum der Wahl eines Verwaltungsrats.

Um schwerwiegende Organisationsmängel zu vermeiden, sollten zukünftige Verwaltungsratswahlen der Generalversammlung rechtzeitig und ordnungsgemäss durchgeführt werden. Hierbei ist es ratsam, jeweils eine Universalversammlung abzuhalten. Zwar verlangt der Bundesgerichtsentscheid die Behebung von Organisationsmängeln bei vergangenen Generalversammlungen, doch in der Praxis kann dies in der Regel vernachlässigt werden, sofern keine innergesellschaftlichen Rechtsstreitigkeiten zu erwarten sind. Wir empfehlen daher, auf eine ordnungsgemässe Durchführung der Generalversammlungen besonders zu achten.

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Grafik: Joel Imholz
Joel Imholz
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